Redebeitrag auf „Raum statt Repression“-Demo

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Im Folgenden findet ihr unseren Redebeitrag, den wir auf der „Raum statt Repression“ Demonstration am 04.09.2014 gehalten haben. Darin begründen wir warum die einzelnen Kämpfe um ein Recht auf Stadt zusammen gedacht werden müssen und wir eine Zuspitzung einzelner Kämpfe auf die städtische Wohnungsbaugesellschaft (ABG) für politisch sinnvoll erachten.

„Mensch muss eigentlich nur durch die Straßen Frankfurts laufen, um zu merken was hier vor Ort generell schief läuft. Würden wir nun anfangen aufzuzählen was alles, dann könnten wir wahrscheinlich nicht wieder aufhören. Dreh und Angelpunkt der momentanen Entwicklung ist ein weitreichender und zunehmender sozialer Ausschluss aus dem städtischen Leben.

Ein Teil dessen ist, wie Jede weiß, dass die Mieten zu teuer sind. Die Stadt in der wir leben, macht gerade wieder massivste Veränderungen durch. Ganze Viertel werden neu gebaut, allerdings nur für Gutverdiener_innen. Wer in den letzten 5 Jahren versucht hat umzuziehen, weiß wovon wir reden – absurde rechtliche Anforderungen, überteuerte Preise, schlechte Wohnungen.

Verdrängung von Mieter_innen im Ostend, der Druck des neuen Europaviertels auf die Menschen im Gallus, die rassistischen Mobilmachungen, die sich mitunter in der Vergabe von Wohnraum wiederspiegelt, Räumungen von Häusern und Bauwagenplätzten… Scheiße passiert genug in dieser Stadt!
Zeitgleich sehen sich Versuche einer selbstbestimmten und selbstverwalteten Wohn- und Kulturpolitik zunehmend mit einer repressiven städtischen Linie konfrontiert, welche bestehende Räume linker Projekte in Frage stellt und neue Aneignungsversuche im Keim erstickt. Zudem entledigt sich die Stadt Frankfurt dem Problem des fortschreitenden sozialen Ausschlusses, der sich quer durch alle Lebensbereiche zieht, indem sie städtische Immobilien privatisiert. Dabei hätte die Stadt mit der stadteigenen Immobilienfirma ABG die politischen Mittel an der Hand, um auf diese Probleme zu wirken. Die aktuelle Politik zeigt, dass die Stadt hierbei kaum politische Verantwortung übernimmt; jedoch die Gewinne gerne einstreicht. So verhindert die ABG soziale Wohnprojekte wie das Philosophicum, um doch noch von einem Privatinvestor etwas mehr Kapital einzustreichen. Zeitgleich bleibt zu erwarten, dass dem DFB die Gallopprennbahn, ein wesentlich größeres Areal, im Grunde hinterher geworfen wird. Vom viel gepriesenen Kulturcampus Bockenheim der ABG wird nach derzeitigem Stand nur die Erinnerung und einige Lofts mit Tiefgarage übrig bleiben. Nicht zuletzt hat die ABG mit der Klage wegen Hausfriedensbruch gegen die Aktivist_innen der „Leerstelle“, welche im Frühjahr eine Villa in der Georg-Voigt-Straße besetzten, nochmal verdeutlicht, welches die politische Stoßrichtung in der Stadtentwicklung ist.
Eine Politik, die von herrschender Seite häufig mit Worten wie „Standortkonkurrenz“, „Mittelstandsförderung“ oder „Imageförderung“ erklärt wird. Die Stadtentwicklung folgt somit ohne Frage dem Paradigma einer kapitalistischen Verwertungslogik. Mit der ABG fällt zudem institutionell das kapitalistische Interesse mit dem politischen Willen in eins. Zu behaupten dieser Kurs wäre alternativlos, wie es im Jargon der Stadtpolitik und von der ABG immer wieder zu hören ist, bedeutet allerdings eine krasse Verkennung der politischen Verantwortung für die momentane Stadtentwicklung. Doch diese ist immer ein politischer und somit umkämpfter Prozess.

Das zeigen auch die Widerstände verschiedener Gruppen und Zusammenhänge gegen die momentane Entwicklung der Stadt. Unserer Meinung nach sind diese jedoch zu vereinzelt, zu marginalisiert. Dabei passiert viel: Wir sehen die unterschiedlichsten Menschen, die sich auf teilweise sehr verschiedene Art und Weise kritisch mit der Stadt in der wir leben, mit ihrer neoliberalen und kapitalistischen Funktionsweise und Umgestaltung auseinandersetzten. Derzeit arbeiten viele mit den unterschiedlichsten Möglichkeiten zu verschiedenen Thematiken, welche sich aber alle als irgendwie geartete Aneignung unserer unmittelbaren Lebensumgebung darstellen. Die einen versuchen ein kollektives Wohnprojekt zu machen, wollen mit dem Mietshäusersyndikat ein Haus kaufen und somit dem Markt entziehen. Andere kämpfen gegen rassistische Stereotype in Verwaltung und Bevölkerung, demonstrieren oder kleben Plakate. Die Geflüchteten selbst organisieren ihren Widerstand in und um die Stadt, fordern Teilhabe an für eine Mehrheitsbevölkerung existente Selbstverständlichkeiten. Manche Leute mieten offene Stadtteilprojekte, andere besetzen leerstehende Häuser. Einige gehen sprühen, andere sind in Bürgerinitiativen engagiert gegen ihre Verdrängung aus Stadtteilen in denen sie wohnen oder organisieren sich gegen den Mietspiegel. Manchmal entstehen Kunstprojekte an ungeahnten Orten, andere Male eine nicht genehmigte Party. Und und und… die Liste ist unvollständig, und in ihrer Qualität sind die verschiedenen Kämpfe durchaus unterschiedlich und nicht eins zu eins miteinander vergleichbar.
Wichtig ist dabei jedoch, dass all diese Kämpfe, die eine ähnliche Richtung anstreben, nicht mehr getrennt voneinander und vereinzelt geführt werden. Ein besetztes Haus wird dann gehalten, wenn das ganze Viertel hinter dem Projekt steht. Eine Zwangsräumung wird dann verhindert, wenn die ganze Nachbarschaft vor der Tür sitzt. Einer Mieterhöhung wird dann erfolgreich widersprochen, wenn das ganze Haus mitmacht. Eine Stadtentwicklung wird nur dann emanzipatorisch verlaufen, wenn wir sie selber gestalten.
Erfolge in der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Organisierung und der Widerstand Vieler der fortlaufenden Zurichtung der Stadt Einhalt gebieten kann. Der Kampf für eine Stadt, die nach den Bedürfnissen der in ihr lebenden Menschen gestaltet ist und in der alle einen Platz finden, gestaltet sich dabei nicht nur gegen ein abstraktes Ganzes oder gegen strukturelle Grundlagen, sondern muss auch gegen politische Akteur_innen geführt werden, die diese Grundlage schützen, durchsetzen und mit dieser Entwicklung ihren Profit generieren. Der ABG an dieser Stelle das politische Heft aus der Hand zu nehmen und ihre Anteile am städtischen Raum zu kollektivieren kann hierbei ein erster Schritt sein.
In diesem Sinne: Die kapitalistische Stadtentwicklung sabotieren, den sozialen Ausschluss bekämpfen, die ABG kollektivieren – gemeinsam für eine Stadt für Alle!“