Der Zaun um das Gelände der neuen EZB ist hier in Frankfurt das sichtbarste Element der Herstellung von Sicherheit für eine der zentralen Institutionen des europäischen Krisenregimes. Er ist jedoch nicht nur eine Grenze, für uns symbolisiert er zugleich die sozialen Spaltungen in Europa, die die EZB als eine der bestimmenden Akteur*innen mit voran treibt. Für Millionen Menschen in Südeuropa bedeutet die Austeritätspolitik von europäischen Institutionen wie der EZB eine massive Prekarisierung ihrer Lebensverhältnisse.
Der Zusammenhang von Sicherheit und Prekarisierung ist aber grundlegender: neoliberale Herrschaft wird über die Herstellung von Sicherheit und die Abwehr vermeintlicher oder tatsächlicher Bedrohung organisiert. Mit dieser Herstellung von Sicherheit auf der einen Seite ist immer die Unsicherheit, die Prekarisierung auf der anderen Seite verbunden. Die vermeintliche Sicherung einer europäischen Stabilität beinhaltet so z.B. auch die Deregulierung von Arbeitsverhältnissen. Prekäre Arbeitsbedingungen (befristete Verträge, Zeitarbeit, aufgeweichter Kündigungsschutz…) betreffen weite Teile der Bevölkerung.
Für bestimmte Gruppen von Menschen ist diese Prekarität allerdings noch ausgeprägter, sie sind viel zugespitzter betroffen. Viele der Arbeiter*innen, die am neuen EZB-Gebäude beschäftigt waren und sind, werden per Subunternehmen aus Osteuropa zu niedrigsten Löhnen eingekauft. In zahlreichen Fällen in den letzten Jahren in Frankfurt wurde gar noch versucht diesen niedrigen Lohn nicht auszuzahlen. Diese prekären Arbeits- und Lebensbedingungen trafen in der Vergangenheit auch noch auf das erhöhte Bedürfnis einiger Anwohner*innen des Ostends auf vermeintliche Sicherheit. In Sorge um diese gründeten sie eine Bürgerinitiative und forderten Anwohner_innen dazu auf die Stadtpolizei zu alarmieren, falls „Leute in ihren Autos wohnen“. Die prekäre Lebenslage der Arbeiter*innen, die sich auf Grund fehlender Mittel und rassistischer Vorurteile ihnen gegenüber keine Wohnung leisten können und der gesellschaftliche Ursprung dieser Situation interessierte die sicherheits- und sauberkeitsbedürftigen Anwohner_innen nicht.
Ein Streben nach vermeintlicher Sauberkeit und Sicherheit lässt sich derzeit auch im Bahnhofsviertel beobachten. Die Stadt versucht das Viertel gezielt „aufzuwerten“. Das Verruchte des Viertels wird vermarktet, es finden hippe Bahnhofsviertelnächte statt, gleichzeitig wird sich kaum um die Arbeitsbedingen von Sexarbeiter*innen im Bahnhofsviertel gescheert. Vielmehr findet eine Regulierung der Sexarbeit statt, die Stadt bestimmt wer hier wie arbeiten darf. Diese Entwicklung schlägt sich jedoch keineswegs in mehr Sicherheit für die hier arbeitenden Sexarbeiter*innen nieder, denn durch das repressive Abdrängen in die Illegalität werden ihnen sogar elementare bürgerliche Rechte verwehrt. Sicherheit soll im Bahnhofsviertel vor allem für eine kaufkräftige Klientel hergestellt werden. Diese Entwicklungen wollen wir kritisch in den Blick nehmen. Die Sicherheit, die gemeint ist, ist eben immer die Sicherheit der Herrschenden.
Diese Sicherheit (der EZB) haben auch die Aktivist*innen von Blockupy in den letzten Jahren kennen gelernt. Mit Totalverboten von Aktionen 2012 und einer durch einen Kessel gleich zu Beginn verhinderten Demonstration 2013 wurde für sie das Gegenteil von Sicherheit hergestellt und versucht sie einzuschüchtern.
Eine ganz neue Dimension kommt hinzu, wenn wir eine globale Perspektive einnehmen. Beim Einsturz des Rana Plaza Building in Bangladesh vor fast genau einem Jahr, am 24. April 2013, wurden 1127 Menschen getötet und 2438 verletzt, weil den Betreiber*innen die Arbeitsbedingungen der Arbeiter*innen egal war. Der Drang nach Steigerung des Profits und die daraus folgenden mangelhafte Qualität des Fabrikgebäudes wurden über die Sicherheit der dort arbeitenden Menschen gestellt. Die damit einhergehende gesteigerte Produktion garantierte zugleich die Befriedigung unserer Nachfrage im globalen Norden.
Wir fragen: um wessen Sicherheit geht es? In diesem Sinne laden wir zum Zaunspaziergang am 27.04. ein. Wir geben nichts auf die Sicherheit der EZB und des autoritären Krisenregimes, das sie organisiert. Gerade weil sie die Prekarisierung von marginalisierten Gruppen, von Menschen die von der Troika-Politik betroffen sind und von emanzipatorischen Bewegungen bedeutet. Keine Sicherheit für die EZB-Eröffnung im Herbst 2014! Let’s crack capitalism!
Es sprechen:
Jenny Künkel – Institut für Humangeographie – zur Situation der Sexarbeiter*innen im Bahnhofsviertel
Zehra Khan – Generalsekretärin HBWWF (Home Based Women Workers Federation) Pakistan Thomas Seibert – Medico International – zur Situation der Arbeiter*innen in Pakistan
angefragt: N.N. – MigrAr/IG Bau – zur Situation der Wanderarbeiter*innen im Baugewerbe in Frankfurt
27. April, 14 Uhr, H. Schulmann Str. / am EZB-Zaun
http://notroika.org/artikel/krisenakteure-markieren-zaunspaziergaenge-der-ezb https://turnleft.noblogs.org/