Blockupy Frankfurt – let’s crack capitalism!

Mit dem folgenden Text versuchen wir nach M31 noch einmal genauer darzulegen, weshalb wir zu BLOCKUPY mobilisieren.

Seit dem Jahr 2008 sind in der globalen politischen Lage Dinge in Bewegung geraten, die Jahre und Jahrzehnte als unveränderlich galten. Mit dem Ausbruch der größten Krise der Weltwirtschaft seit 80 Jahren wurde auch in den westlichen Metropolen offensichtlich, dass die kapitalistische Produktionsweise unfähig ist, ein gutes Leben für alle Menschen zu organisieren.

Im vergangenen Jahr hat der arabische Frühling bewiesen, dass in kollektiven massenhaften Aktionen auch solche Gesellschaften revolutionär umgewälzt werden können, die zuvor jahrzehntelang unveränderlich erschienen. Diese Erfahrung hat Menschen in allen Teilen der Welt Hoffnung gemacht.

So ging im Jahr 2011, von Tunis und Kairo aus, eine Welle der Platzbesetzungen um den Globus. Auf dem Syntagma-Platz in Athen, auf der Puerta del Sol in Madrid, überall kamen Tausende Menschen zusammen um gemeinsam „Echte Demokratie jetzt!“ zu fordern. Spätestens mit dem Label „Occupy!“ entwickelte sich eine globale Bewegung, bei welcher sich Menschen den öffentlichen Raum im Herzen der Stadt aneignen, um gemeinsam zu diskutieren, in welcher Gesellschaft sie leben wollen.

Dabei galt der neoliberale Neusprech von Flexibilisierung, Deregulierung, Privatisierung und vor allem von der sogenannten „soliden Haushaltspolitik“ spätestens seit den neunziger Jahren weltweit als unumstößliches gesellschaftliches Naturgesetz. Die Hegemonie dieser Ideologie ist noch nicht gebrochen, aber sie hat Risse bekommen. Schon die Verstaatlichung der Banken 2009 hat deutlich gezeigt, dass selbst für die Herrschende Klasse Privatisierung und Deregulierung nicht für immer und ewig das Gebot der Stunde sind.

Doch seit die Staaten der EU die Schulden der Banken übernommen haben, versuchen sie diese wieder mit denselben, alten neoliberalen Umverteilungsprogrammen auf dem Rücken der Bevölkerung abzuwälzen. Dennoch wird dieses Gesellschaftsmodell in den Südeuropäischen Ländern weiterhin massenhaft in Frage gestellt. Doch nicht nur dies, sondern auch zahllose soziale Kämpfe im Alltag prägen die Situation dort. Ob in Spanien versucht wird die Zwangsräumungen von Mieter_innen zu verhindern oder die Menschen in Griechenland sich massenhaft Autobahngebühren und Stromkosten sparen: in vielen Teilen Südeuropas tobt ein sozialer Kampf, in dem die Menschen sich gegen die Enteignung ihrer Lebensgrundlagen zur Wehr setzen.

In der Bundesrepublik hingegen ist es dabei vergleichsweise ruhig geblieben. Das deutsche Kapital ist dank Außenhandelsüberschuss, staatlichen Interventionen wie der sogenannten „Abwrackprämie“ und der bereits erfolgten Umsetzung der neoliberalen Strukturanpassungsprogramme durch die sogenannte „Agenda 2010“ bisher recht gut durch die Krise gekommen. Auch die Gewerkschaften haben dazu ihren Teil beigetragen und unter Verweis auf das nationale Gesamtinteresse massive Reallohneinbussen hingenommen. Die Kündigung von fast einer Million Leiharbeiter_innen zum Beginn der Krise hat zwar für die Betroffenen eine große soziale Härte bedeutet, ein öffentlicher Aufschrei oder eine reale Unterstützung durch die Gewerkschaften blieb aber aus.

Schlimmer noch, die rassistische Hetze der Bild-Zeitung gegen die „faulen Pleite-Griechen“ kanalisiert die Ängste der Leute vor sozialem Abstieg und wirtschaftlichem Zusammenbruch auf einen Sündenbock. So scheint es derzeit eher so, als würden die Leute in der Bundesrepublik die autoritäre Krisenlösung von Merkel und Co. geschlossen unterstützen. Genau das Gegenteil, nämlich transnationale Solidarität gegen rassistische Hetze und Standortnationalismus, muss unsere Antwort als radikale Linke auf diese Situation sein.

Die Entwicklung in Griechenland kann als Experiment der herrschenden Klasse verstanden werden. De facto wird getestet, welche Zumutungen die Menschen bereit sind hinzunehmen, gegen welche Maßnahmen wie viel Widerstand zu erwarten ist. In der Durchführung dieses Experiments führend ist die Troika aus EU, IWF, und EZB. Regierungen, welche bisher wenigstens eine formal bürgerlich-demokratische Legitimation hatten, sind in Italien und Griechenland längst durch technokratische Regierungen abgelöst, die mit dem Argument scheinbar naturnotwendiger Sachzwänge des Kapitals die Verarmung zahlloser Menschen vorantreiben. Doch während diese Politik dort mit energischem Widerstand konfrontiert ist, regt sich hierzulande kaum etwas.

Dabei hat eine der drei Institutionen der Troika, die europäische Zentralbank, ihren Sitz in Frankfurt am Main. Das ist kein Zufall, gehört Frankfurt doch zu den Global Citys, welche eine herausragende Bedeutung als organisierende Knotenpunkte einer zunehmend dezentralisierten globalen Ökonomie haben. Und so kommt es, dass das kleine Frankfurt von der wirtschaftlichen Bedeutung her in einer Reihe mit Städten wie New York, Tokio und Paris steht. Und während die anderen Institutionen der Troika schon Gegenstand von massiven Protesten waren, blieben diese in Frankfurt eher aus.

Im März hatte das Bündnis M31 nun zu einem antikapitalistischen europäischen Aktionstag und einer Demonstration nach Frankfurt mobilisiert und damit den Protest zur EZB getragen. Etwa 5000 radikale Linke nahmen an der Demonstration teil. Das ursprünglich anvisierte Ziel, die Baustelle der neuen EZB-Zentrale im Ostend zu besetzen, konnte nicht erreicht werden.

Dafür brachten einige Teilnehmer_innen der Demonstration ihre kompromisslose Ablehnung der gesellschaftlichen Verhältnisse und ihre Wut gegen das autoritäre Krisenmanagement in symbolischen Aktionen zum Ausdruck. So wurden zahlreiche Farbbeutel gegen die derzeitige EZB-Zentrale geschleudert und es kam zu umfangreichen Entglasungen in der Innenstadt, aber auch am Rathaus (Römer) und bei Jobcentern.

Bedauerlich ist, dass die öffentliche Debatte im Anschluss bestimmt war von der Diskussion über die „gewissenlose Gewalt“ von angeblich „unpolitischen Chaoten“. In der bürgerlichen Presse wurde ausführlich über einen verletzten Bullen berichtet, die zahllosen zum Teil schwer verletzten Demonstrant_innen jedoch weitestgehend verschwiegen. Uns kotzt dieser verlogene bürgerliche Gewaltbegriff an, weil er eben immer nur ganz bestimmte Formen von Gewalt skandalisiert und die meisten ignoriert.

Dennoch müssen wir feststellen, dass dieser eingeschränkte Blick auf Gewalt in der medialen Öffentlichkeit hegemonial ist. Unsere Kritik an der autoritären Krisenlösung und der kapitalistischen Produktionsweise im Allgemeinen sind hinter dem Thema „Gewalt“ stark in den Hintergrund gedrängt, wir als radikale Linke weiter marginalisiert worden. Dabei wäre es an der Zeit, auch hierzulande eine soziale Bewegung zu entwickeln, die in der Lage ist der autoritären Krisenpolitik der Troika real etwas entgegen zu stellen.

Als nächsten Anlauf breiteren Protest zu organisieren, verstehen wir die Mobilisierung zu den europäischen Aktionstagen nach Frankfurt. Stattfinden sollen die Aktionstage vom 16.-19.Mai 2012. Getragen wird die Mobilisierung von einem breiten Bündnis von Autonomen über die Interventionistische Linke bis zu Attac, von Occupy über Gewerkschaften und Erwerbsloseninitiative bis zur Linkspartei.

Die Aktionstage sollen im Wesentlichen aus drei Elementen bestehen: der Besetzung der Plätze am Donnerstag, dem 17., einer Blockade der europäischen Zentralbank am Freitag dem 18. und einer großen Demonstration am Samstag dem 19. Mai. Somit finden sich im Konzept der Aktionstage auch praktisch drei Formen sozialer Bewegungen wieder: die allerneuesten wie Occupy und Democratia Real mit den Platzbesetzungen, die neueren wie Attac und IL mit den Massenblockaden und die älteren sozialen Bewegungen wie die Arbeiter_innenbewegung mit der Großdemonstration.

Der Versuch alle politischen Akteure zusammenzubringen ist richtig, weil keiner von ihnen alleine, – weder die radikale Linke, noch die Gewerkschaften noch Occupy oder sonst irgendwer allein- die notwendige Stärke hat, um der neoliberalen Verarmungspolitik etwas entgegen zu setzen. Ein erster Schritt in diese Richtung könnte die Blockade der EZB am Freitag sein.

Das Konzept der Massenblockaden hat sich in den letzten Jahren mehrfach als sehr erfolgreich herausgestellt. Der G8-Gipfel 2007 in Rostock konnte so von mehreren zehntausend Menschen erfolgreich behindert werden. Der rechtspopulistische Kongress in Köln 2008 konnte gleich ganz verhindert werden. Und schließlich gelang in Dresden 2010 und 2011 mit massenhafter Entschlossenheit, was mit anderen Mitteln zuvor jahrelang nicht funktioniert hatte: Europas größter Naziaufmarsch konnte verhindert werden.

Ein wichtiger Aspekt solcher Massenblockaden ist die öffentliche Diskussion und Verabschiedung eines Aktionskonsens, der festhält, was im Rahmen der Aktion wie getan werden soll. Dies macht für alle Menschen, die sich an der Aktion beteiligen wollen, schon im Vorfeld transparent, auf was sie sich vorbereiten müssen. Bei M-31 war im Vorfeld von der „Stillegung“ der EZB die Rede, wobei für viele Leute unklar blieb, wie das konkret von statten gehen soll. Die Entglasungen in der Innenstadt kamen für viele völlig unvorhergesehen und haben einige zum gehen veranlasst. Wer einen prekären Aufenthaltsstatus hat, schwanger ist, mit Kindern unterwegs oder einfach nur etwas ängstlicher oder weniger “sportlich” als andere, verlässt solche Demos in aller Regel schnell. So begrüßenswert und richtig wir die „unversöhnliche Geste“ im Rahmen der M31 Proteste fanden, so wichtig ist es aber, die eigenen Konzepte für Menschen in den verschiedensten Lebenslagen offen zu halten.

Die Stärke einer Aktion, wie sie für den Mai geplant ist, ist, dass sich Menschen in fast allen Lebenssituationen und aus vielen Spektren der Linken einbringen können. Linksradikale Inhalte werden dort neben vielen anderen präsent sein.

Was aber viel wichtiger ist: die Frage der Überwindung einer Gesellschaft ist nicht nur eine Frage der richtigen Kritik. Sie ist auch die Frage nach der Stärke und dem Selbstbewusstsein der sozialen Bewegungen, der libertären Bewegung.

Im Rahmen von Massenblockaden können ganz unterschiedliche Menschen die Erfahrung machen, dass sie etwas erreichen können, wenn sie entschlossen und solidarisch Handeln. Um gesellschaftliche Veränderungen, gar eine befreite Gesellschaft denkbar werden zu lassen, sind theoretische Einsichten in die Funktionsweise des Kapitalismus nur ein Aspekt. Mindestens ebenso sehr brauchen Menschen das Vertrauen in die eigene Stärke, brauchen sie, brauchen wir alle die Erfahrung, kollektiv etwas erreichen zu können.

Wir werden die befreite Gesellschaft nicht von heute auf morgen erkämpfen, sondern müssen mit kleinen Schritten beginnen. Am 18. Mai die Blockade der EZB, im Herbst vielleicht die Verhinderung des Fiskalpakts oder was auch immer. In jedem Fall sind erfolgreich geführte soziale Auseinandersetzungen die Basis für starke soziale Bewegungen und eine starke radikale Linke, die vielleicht eines Tages in die Situation kommen könnte, eine befreite Gesellschaft zu erkämpfen.

Für den zwölften Mai 2012 laufen vor allem in Spanien und Italien schon seit Monaten Vorbereitungen. Wir finden es richtig, sich als radikale Linke mit Blockupy Frankfurt in den Kontext der globalen Welle von Platzbesetzungen zu stellen. Deren Form, jeden Menschen ohne Vorbedingung sprechen zu lassen, hat zweifelsohne ein emanzipatorisches Moment. Hier wird ein neuer Raum für politische Debatten geschaffen, welcher im Vergleich zu Wahlen oder Medien der bürgerlichen Gesellschaft wesentlich offener ist. Marginalisierte Positionen haben hier die Möglichkeit ihre Marginalisierung zu überwinden, Menschen, die bisher nie ihre Stimme erhoben haben, werden ermutigt dies zu tun.

Innerhalb dieser Form ist es unvermeidlich, dass sich auch Inhalte artikulieren, die wir beschissen finden. Die deutliche Präsenz von sogenannten Freiwirtschaftlern und Zinskritikern in der Occupy-Bewegung in Deutschland im letzten Jahr ist ein Beispiel dafür. Doch was Occupy ist und wie links Occupy ist, das liegt nicht an Occupy allein, sondern vor allem auch daran, wie sich die radikale Linke zu Occupy verhält. Letztlich ist diese Bewegung – wie auch viele andere – umkämpft.

Wie verdammt cool Occupy sein kann, hat sich am besten in Oakland in den USA gezeigt. Dort wurde nicht nur ein zentraler Platz in der Stadt besetzt, sondern auch ein Generalstreik mit zehntausenden Teilnehmer_innen organisiert und einer der wichtigsten Containerhäfen der Westküste der Vereinigten Staaten besetzt und blockiert. Wie auch schon bei der Räumung des Camps von Occupy-Oakland kam es im Anschluss zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Blockupy Frankfurt jedenfalls wird näher an Occupy Oakland sein, als an dem, was bisher in der Bundesrepublik unter dem Label Occupy gelaufen ist. Statt um Erlaubnis zu fragen werden wir am Donnerstag versuchen uns die Plätze zu nehmen. Auf der großen Demonstration am Samstag werden Menschen aus unterschiedlichen Spektren ihre Kritik an der autoritären Krisenpolitik der Troika artikulieren und auch wir werden unsere grundsätzliche Ablehnung der kapitalistischen Produktionsweise sichtbar machen. Mit der Blockade wollen wir versuchen gemeinsam die EZB wenigstens für einen Tag daran zu hindern, ihre Verarmungspolitik z.B. gegenüber den in Griechenland lebenden Menschen weiter fort zu führen. Für uns ist dies ein erster kleiner Schritt auf dem Weg in eine befreite Gesellschaft.

Kommt vorbei, beteiligt euch, bringt euch ein!

Blockupy Frankfurt – let’s crack capitalism!